Wir können uns nicht vorstellen, dass Frau Ministerin Backes dieses Projekt vorschnell oder leichtfertig vorantreibt. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass sie bislang auf einseitige oder unvollständige Informationen angewiesen war.
In diesem Zusammenhang trägt der Direktor der Flugsicherungsverwaltung eine besondere Verantwortung. Beim ersten Treffen mit ihm wurde überraschend erklärt, dass der geplante physische Tower nicht mehr gebaut werde, obwohl Anfang des Jahres noch ein baldiger Baubeginn angekündigt worden war. Als Reaktion überreichten wir ein fundiertes Positionspapier mit fachlichen und sicherheitsbezogenen Bedenken gegen den virtuellen Tower. Eine inhaltliche Auseinandersetzung fand jedoch nicht statt. Stattdessen wurde uns im nächsten Treffen mitgeteilt, dass der bestehende Tower in etwa zehn Jahren abgerissen werden müsse und dass der virtuelle Tower nun umgesetzt werde – „mit oder ohne eure Hilfe“.
Das Gespräch im Ministerium, ohne Anwesenheit der Ministerin, ließ bei uns den Eindruck zurück, dass eine ernsthafte Beschäftigung mit den vorgebrachten Fachargumenten noch aussteht.
Wenn operative Risiken und sicherheitsrelevante Aspekte auf diesem Weg ausgeblendet werden, ist eine verantwortungsvolle politische Entscheidung kaum möglich. Umso wichtiger ist es, dass die Stimmen der qualifizierten Fachkräfte, jener Menschen, die das System später täglich bedienen und verantworten, frühzeitig, ernsthaft und auf Augenhöhe einbezogen werden.
Gerade bei virtuellen und digitalen Lösungen, die tief in sicherheitskritische Abläufe eingreifen, braucht es besondere Sorgfalt, realistische Bewertungen und den Einbezug praktischer Betriebserfahrung.
Wir wissen wohl, dass es mit Erfurt einen Remote-Tower-Flughafen mit CAT-II-Zulassung gibt. Doch mit rund 6.000 Bewegungen pro Jahr ist Erfurt in keiner Weise mit Luxemburg vergleichbar, weder beim Verkehrsaufkommen noch bei der betrieblichen Komplexität oder den Kapazitätsanforderungen.
Auch London City, bislang das größte realisierte Remote-Tower-Projekt, verzeichnet nur etwa die Hälfte der Verkehrszahlen Luxemburgs. Dennoch ist dort bei dichter Nebellage kein regulärer Betrieb möglich. Das liegt nicht an der Art des Towers, sondern an anderen systemischen Faktoren wie den Anflugverfahren, der Positionierung von Bodensystemen oder den betrieblichen Rahmenbedingungen.
Diese Realität zeigt: Kamerabasierte Systeme ermöglichen keinen Betrieb bei schlechter Sicht, nicht, weil sie versagen (auch wenn ihre tatsächliche Leistungsfähigkeit unter solchen Bedingungen fraglich bleibt), sondern weil sie dafür schlicht nicht relevant sind. Ob ein Flugzeug starten oder landen darf, hängt von Wetter, Verfahren und Infrastruktur ab, nicht davon, ob der Tower über Kameras verfügt.
Die Behauptung, ein virtueller Tower sei bei Nebel leistungsfähiger, steht daher im klaren Widerspruch zur Betriebspraxis. Sie zeigt großes Vertrauen in neue Technologien, und wir teilen diese Zuversicht grundsätzlich, möchten jedoch nicht unkritisch oder blind darauf vertrauen.
Im Alltag setzen wir längst auf moderne Bodenradarsysteme, die unabhängig von Sichtverhältnissen zuverlässig arbeiten. Hochauflösende Kameras können diese Systeme sinnvoll ergänzen, etwa als zusätzliches visuelles Hilfsmittel. Ihr Einsatz wäre auch in einem klassischen Tower willkommen. Doch sie ersetzen keine operativen Grundlagen.
Was ein virtueller Tower zudem niemals ersetzen kann, ist der direkte 360°-Blick durch Fenster, ein entscheidender Vorteil in unvorhersehbaren oder gestörten Betriebslagen. Fenster fallen auch bei Technikproblemen nicht aus.
Deshalb sprechen wir uns für eine technologieoffene, risikobewusste Herangehensweise aus: für Innovation, wo sie erprobt, sicher und sinnvoll ist, aber auch für den Erhalt bewährter physischer Infrastruktur, wo sie Stabilität, Redundanz und Sicherheit gewährleistet. Der Weg in die Zukunft kann nur gemeinsam gegangen werden und mit den Menschen, die täglich für einen sicheren Flugbetrieb sorgen.
Dass Frau Ministerin Backes für September ein persönliches Gespräch mit den Fluglotsen angekündigt hat, sehen wir als positives und wichtiges Signal. Es weckt die Hoffnung, dass ein echter Dialog möglich ist, ein Austausch, bei dem nicht nur zugehört, sondern auch verstanden, abgewogen und gemeinsam entschieden wird. Denn nur so entsteht eine tragfähige Lösung, die Sicherheit, Innovation und Verantwortung miteinander verbindet.